In den letzten Stunden und Tagen wurde die europäische Luftfahrt auf eine harte Probe gestellt. Darunter auch die österreichische Luftfahrt und mittendrin der Flughafen Linz. Ein Kommentar von Michael David.

Unbestritten, seit dem 11. September 2001 ist vieles anders geworden in der Luftfahrt. Sicherheitsvorkehrungen in und rund um Flughäfen wurden verstärkt, die (offene) Mitnahme von Flüssigkeiten oder Nagelscheren verboten, Diskussionen um Nacktscanner und andere – angeblich - der Luftfahrt dienlichen Sicherheitsvorkehrungen begonnen. All das nur, um terroristische Absichten in, besser gesagt mit Flugzeugen zu verhindern und es nie mehr zu einem 11. September mit all seinen Folgen kommen zu lassen. Die Welt hat sich seit damals verändert, neuen Brücken wurden gebaut, andere, dem Weltfrieden leider nicht dienlich, abgerissen. Auf die internationale Luftfahrt hatte der 11. September 2001 eine große Folgewirkung, auch hier hat sich vieles verändert. Eine komplette Luftraumsperre über den USA und Kanada war vorher undenklich. Gerade eine Luftfahrtnation wie die USA war wie gelähmt. Wo tags zuvor noch tausende Maschinen die einzelnen Metropolen miteinander verbunden haben, erlangten die Vögel wieder die alleinige Luftraumhoheit. Erst nach Tagen, mit gewaltigen Auswirkungen auf das nationale und internationale Luftverkehrssystem, wurde die Luftraumsperre wieder langsam aufgehoben, doch brauchte es noch länger, wieder Normalität in das System zu bringen. So etwas in Europa? Undenkbar, dürften viele bis vor wenigen Tagen noch gedacht haben.

Der 15. Februar 2010 lehrte aber wohl uns allen eines Besseren. Nicht der Terrorismus zwang die europäische Luftfahrt in die Knie, sondern ein isländischer Vulkan, mit schier unaussprechlichen Namen Eyjafjallajökull. Zu meiner, noch nicht allzu lang vergangenen, Schulzeit wurden noch die drei schlafenden italienischen Riesen – Ätna, Vesuv und Stromboli – als die gefährlichsten Vulkane in Europa gelehrt. Island? Eine Insel im Nordmeer, zwischen Norwegen und Grönland gelegen, mit vielen Gletschern, heißen Thermalquellen und imposanten Geysiren. Dass Island eine Vulkaninsel ist, war bekannt, aber wohl die wenigsten Europäer – auch ich – sahen darin eine besondere Gefahr. Als heimische und deutsche Nachrichtensender vor wenigen Wochen über einen „Vulkanausbruch in Island“ in ihren Shortnews berichteten, war es wohl für uns in Europa wie das berühmte „Radl in Chicago“. Na und? Ein imposantes Naturschauspiel in Island, eine neue Touristenattraktion?

Doch plötzlich war alles anders. Die ersten nordeuropäischen Länder begannen ihren Luftraum zu sperren, Asche von Eyjafjalljökull steuerte auf diese Länder zu. So schnell andere Länder bzw. ihre Nachrichtenstationen ein ernstzunehmendes Gefahrenpotential für ihre Länder ausgeschlossen haben, so schnell revidierten sie diese Meinung wieder. Plötzlich wurden nicht nur mehr skandinavische oder schottische Kleinflughäfen geschlossen, sondern auch die ersten Großflughäfen. Eine Eilmeldung jagte die andere, auf Twitter kamen halbminütlich neueste Informationen. Glasgow, Edinburgh, Manchester, Birmingham in Großbritannien, OIso, Göteborg, Stockholm und Helsinki in Skandinavien wurden geschlossen. Was für alle völlig undenkbar war, eine der weltweit verkehrsreichsten Luftfahrtzentren, London, machte ebenfalls „dicht“. Gerade London, gerade DER europäische Nabel der europäischen Luftfahrt. Schön langsam wurden auch die anderen Flughäfen am europäischen Festland nervös. Für die Fluglinien, egal ob es sich um europäische oder internationale Carrier handelte, begann die Sache zur Ausnahmesituation zu werden. Tausende Passagiere saßen in London fest oder warteten in Kontinentaleuropa auf ihre Weiterflüge nach Großbritannien, auch erste Flugzeuge mussten – unfreiwillig – am Boden bleiben. In Österreich? Der Vulkan ist – nach wie vor – weit weg, somit auch das Problem. „Es ist unwahrscheinlich, dass die Vulkanasche auch in der österreichischen Luftraum vordringt“, war sich so mancher medialer Wetterexperte sicher, „aber kurzfristige Sperren von Flughäfen sind nicht auszuschließen.“

Aber als die Lufträume über Belgien, der Niederlande, Dänemark und Norddeutschland geschlossen wurden, wurde aus dem „nordeuropäischen Problem“ plötzlich ein gesamteuropäisches, auch für Österreich, auch für Linz. Mit der Schließung des Flughafens in Frankfurt brach nun endgültig der luftverkehrsmäßige Kontakt nach Nordeuropa ab. Selbst die Schließung des heimischen Luftraumes war nun nicht mehr reine Theorie, sondern bittere Realität. Österreicher, ja Oberösterreicher, saßen bereits auf vielen europäischen Flughäfen, in vielen europäischen Städten fest. Urlauber aus Teneriffa schafften es gerade noch vor der Sperre des Luftraumes über Linz nach Hause, während die ersten Türkeiurlauber ihren Urlaub unfreiwillig und auch nicht ganz sorgenfrei verlängern mussten. Plötzlich ging nichts mehr. Wo man sich noch Stunden zuvor darüber „freute“, mehr Flugbewegungen als der Megaairport London-Heathrow zu haben, fand man einen Flughafen im kompletten Stillstand vor. Linz, wie Salzburg, Wien oder München. Nicht Hollywood oder irgendein böser Terrorist hatte diese Geschichte geschrieben, sondern Mutter Natur. Das Schulwissen wurde mit einem Schlag revidiert: es braucht keinen Vulkan IN Europa, es genügt ein – vergleichsweise sehr kleiner – Vulkan in Island, der den Luftverkehr ÜBER Europa zu erliegen bringt. Bange Stunden, bei Passagieren, Angehörigen, Touristikern, Airline- sowie Airportmanager. Europa wie gelähmt. Man war wieder auf jene Transportmittel angewiesen, die man zuvor für weite Strecken als unbrauchbar bezeichnete – und das in mitten Europa! Tausende Europäer auf der ganzen Welt waren aus ihrem Europa ausgesperrt. Plötzlich war man vielerorts nicht mehr Gast, sondern gestrandeter Tourist und Herbergssuchender, dem man auszunehmen versuchte. Und niemand wusste wie es jetzt wirklich weitergeht?

Der erste Schock verflogen begannen die ersten bereits an der Luftraumsperre zu zweifeln. Eine russische Crew, die offensichtlich ein kleines kalkulisatorisches Problem in ihrer Spritberechnung hatte, war wohl die Nadel im Heuhaufen. Die Kritik der Fluglinien, die am Boden bleiben mussten, war nicht mehr zu überhören. Wissenschafter und Kontrollorgane strichen wiederholt die Gefährlichkeit dieser Aschewolken hervor. Dazwischen lahmgelegte Flughäfen, wo sich nun viele Sportflieger den Traum erfüllten, einmal wie ein Jumbo-Jet auf einen Großflughafen zu landen. Und zwischen allen Stühlen standen die Passagiere. Wem sollte man nun mehr vertrauen schenken? Den Wetterexperten und Wissenschaftern oder doch den Airlines? Business as usual auf Kosten der Sicherheit darf es nicht geben, oder doch? Um den Passagieren diese Sicherheit zu demonstrieren, hoben zahlreiche Testflieger – Passagiermaschinen bekannter Airlines – in ganz Europa ab. Auf ein (deutsches) Forschungsflugzeug musste man bis übers – stille – Wochenende warten. Während die Airlines die Computerdaten aus London immer stärker anzweifelten, auch durch „ihre“ eigenen Testreihen, begannen die Überwachungsstellen wieder mit der schrittweisen Aufhebung oder Aufweichung von Flugverboten. Für die Passagiere, für die Airlines oder besteht nun doch kein zu hohes Risiko? Man weiß es nicht, zumindest als Laie dieser Materie. Als Passagier kann man jetzt und wohl auch noch in längerer Zeit darauf hoffen, dass alle auch wirklich wissen, was sie tun und die Sicherheit dem wirtschaftlichen Streben den Vorzug geben.

Wie dem auch immer, die letzten Tage waren weder ein guter/schlechter Hollywood-Film noch eine grenzübergreifende Übung. Es war (bittere) Realität. Eine Realität, die sich jederzeit wiederholen könnte. Isländische Vulkanologen bezeichnen mehrere Vulkane als „überfällig“, die allesamt größer als der Eyjafjalljökull sind. Ist dies Panikmache, Hysterie oder doch fundierte wissenschaftliche Erkenntnis? Eher letzteres. Jetzt gilt es zunächst wieder Ordnung in das Chaos im Luftverkehr zu bringen, zurück zur „Normalität“ zu finden. Doch es wird wohl nie wieder wie vorher sein, denn nun hat es sich gezeigt, dass selbst das Flugzeug betroffen von Naturgewalten ist und nicht nur dringend benötigtes Verkehrsmittel nach Naturkatastrophen, wie zu Jahresbeginn in Haiti oder Chile. Nun sind Flugzeug- wie Triebwerkhersteller auf den Plan gerufen, nach konkreten Richtwerten zu suchen, ab wann Vulkanasche tatsächlich ein sicheres Fliegen unmöglich macht. Die Wissenschaft und die einzelnen Staaten müssen dazu genaue Messdaten liefern. So sehr computerbasierte Systeme unser Leben beeinflussen, ganz blind dürfen wir uns aber auch nicht beeinflussen lassen. Computerrechenmodelle können nie reale Messwerte nie ersetzen, schon gar nicht in Sachen Natur. Nur so werden wir in Zukunft mit dem Problem umgehen können. Wir können diese Gegebenheiten der Natur weder beeinflussen, noch ist es praktikabel, die Verantwortung jetzt alleine auf die Piloten zu übertragen. Auch Airlines und Flughäfen sind nun gezwungen, schleunigst Vorbereitungen zu treffen, falls es wieder zu einer derartigen Situation kommt. Der Schritt, direkte Bahnanschlüsse an den Flughäfen zu schaffen, hat sich als richtig erwiesen. Intermodalität kommt in unserem Verkehrssystem immer stärkere Bedeutung zu, auch hier sind für die Zukunft die richtigen Überlegungen anzustrengen.

Die letzten Tage haben jedenfalls die Verletzlichkeit von menschlichen Systemen durch Mutter Natur gezeigt. Ob die Erdbeben, Vulkanausbrüche oder anderen Wetterextreme in letzter Zeit zufällig in ihrer Häufigkeit auftreten oder doch mehr dahinter steckt, ich weiß es nicht. Ich weiß jedenfalls, dass wir diese Probleme nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfen. Nicht wir Menschen bestimmen die Natur, sondern die Natur bestimmt uns Menschen. Nicht nur gestern, nicht nur heute, sondern in aller Ewigkeit. Ich gebe es zu, die letzten Naturkatastrophen, egal ob in unserer unmittelbarer Umgebung oder an anderen Orten auf der Welt, haben mich bereits zum grundlegenden Nachdenken angeregt. Und ich hoffe, auch die Verfasser von Schulbüchern wurden jetzt angeregt, auch den Vulkanen in Island die gleiche Bedeutung zuzumessen, wie jenen in Italien. Aus diesem „Warnschuss“ können wir alle unsere Lehren daraus ziehen.

Michael David

Anmerkung: dies ist ein persönlicher Kommentar von Michael David, eine Gesamtmeinung des Vereins der Freunde des Flughafen Linz lässt sich daraus ausdrücklich nicht ableiten.